Georg Gatsas
Blaupause für die Popwelt
WoZ, 07.09.2017
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Von «Twin Peaks» hat sich nicht nur David Lynchs einzigartige filmische Vision der Originalserie ins popkulturelle Gedächtnis eingebrannt, sondern auch der Soundtrack von Angelo Badalamenti. Dunkle Ambientflächen, schmerzerfüllte Kitschmelodien, loungig-luftiger Jazz: Immer wieder setzte der Regisseur Badalamentis Kompositionen in Kontrast zu den Bildern der idyllischen Kleinstadt und der Gefahr, dem Unheimlichen, dem Rätselhaften, die von ihr ausgehen. Er tat das so gekonnt, dass die Motive und Themen der Serie für die Popwelt der letzten 25 Jahre als Vorlagen dienten: Sie erzählen von Sehnsucht und Triebabfuhr, von einer oberflächlichen Scheinwelt und den Abgründen, die sich darunter auftun, von heulendem Wind, Eulen und Doppelgängern. «Twin Peaks» lieferte so sehr die Blaupause für atmosphärische Klangwelten, für Musikclips, für Bandnamen und Songtitel, dass es mittlerweile ein Klischee ist, wenn sich eine Band auf die Serie beruft.

In der dritten Staffel nun setzt Lynch den Originalsoundtrack von Badalamenti nur selten ein. Stattdessen greift er auf sein musikalisches Referenzsystem zurück, das seit den ersten beiden Staffeln stetig gewachsen ist. Etwa Sky Ferreira, Moby, Nine Inch Nails: Sie verwendeten Dialogzeilen aus «Twin Peaks» für ihr eigenes Werk, sampelten den Soundtrack oder arbeiteten direkt mit Lynch zusammen. In «Twin Peaks» tauchen die KünstlerInnen – neben einem Dutzend weiterer MusikerInnen – für einen Gastauftritt auf der Bühne des Roadhouse oder in einer Gastrolle wieder auf.

Auch Dean Hurley, der die letzten zwölf Jahre als Tontechniker für Lynch gearbeitet hat, ist wieder dabei: Zusammen entwickelten sie die Windgeräusche, die sphärischen Klänge, das elektronische Dröhnen, die wiederum im Mix des Sounddesigns landeten. Dieses setzt Lynch surreal, als zusätzliche erzählerische Ebene ein: Er überlagert Scores, lässt Geräusche den Bildern hinterherklingen, vergräbt Dialoge unter Alltagsgeräuschen und gibt so den Bildern eine unterschwellige Tiefe.